Direktverlag
Inkognito (2) |
Vor
fast 2 Jahren (wie schnell doch die Zeit vergeht...) hatte ich diese
schlaue (?) Idee. Ihrer Realisierung bin ich seitdem keinen Schritt
näher gekommen. Immerhin ist es mir gelungen, einen Blick in unser
Nachbarhaus zu werfen, wo seit vielen Jahren ein ebenerdiges Lokal leer
steht. Ich weiß jetzt, von welchem Büro das Haus verwaltet wird. Das
Haus hat vor einigen Jahren den Besitzer gewechselt. Dabei ist es zu
unschönen Nebengeräuschen
gekommen. Mit dem Eigentümer scheint also nicht gut Kirschen essen zu
sein - für mich nicht unbedingt ein Ansporn, aktiv zu werden. |
Was will
ich eigentlich? Niemand wird mir das Lokal schenken, auch wenn es schon
sehr lange leer steht. Dass der Eigentümer
mehr an einem leeren als an einem bespielten Objekt interessiert
ist, hat er schon bewiesen (siehe Nebengeräusche). Scheinbar liegt
das Haus in einem "Sanierungszielgebiet".
Immerhin wird z.Z. die einen Häuseblock entfernte Ottakringer
Straße revitalisiert, eine Gegend mit einer durchaus umtriebigen Gebietsbetreuung.
Bevor an dieser Ecke das nächste Internetcafé oder der nächste
türkische Kulturverrein entsteht... |
Ein
literarisches Café... Man soll dort aus Neugier hinkommen, aus
Interesse an neuer Literatur. In der ersten Phase müsste es mir
gelingen, zufällig Vorbeikommende
dazu zu animieren, sich als Buchautor zu betätigen. Wer hat schon
einmal etwas geschrieben und dann nicht gewusst, wohin damit? Für den
Anfang müsste ich investieren. Es würde ein einfacher Computer genügen
und ein schon etwas besserer Drucker, ein Stapelschneider; der Rest
sind Kleinigkeiten. Am wichtigsten wären die Autoren. Wie locke ich sie
an? |
Die
Aussicht, gelesen zu werden, ist für einen wahren Autor das stärkste
Lockmittel. Es gibt aber ein weiteres, das mindestens ebenso stark
wirkt: die Aussicht, mit dem Schreiben Geld zu verdienen. Potentielle
Autoren könnten meinem Modell diesbezüglich durchaus skeptisch
gegenüber stehen. Möglicherweise fürchten sie, ihr mühsam selbst
fabriziertes Buch würde herumliegen, vielleicht hie und da von
Besuchern angelesen, aber nur sehr selten - wenn überhaupt - gekauft
werden. |
Ich halte
diese Befürchtung für berechtigt;
ich teile sie. Schließlich sehe ich mich bei diesem Projekt nicht nur
als Verleger, sondern auch als Autor. Ich hoffe zwar, dass ab und zu
jemand eines meiner Bücher kauft, aber so wirklich glaube ich nicht
daran. So mag es anderen potentiellen Autoren auch gehen. Nehme
ich aber meine Rolle als Verleger ernst, sollte sich das Problem lösen
lassen: Jeder frisch gebackene Autor kann sicher sein, wenigstens sein
erstes Exemplar zu verkaufen: an mich. |
Ich würde dafür "in Vorlage
gehen", und ich muss das tun, will
ich wirklich ein Verleger sein (und nicht nur ein
Möchte-Gern-Verleger). Also: Jeder, der bei mir sein Buch bastelt (und
ich helfe sogar dabei) kann es mir sofort verkaufen, wenn es fertig
ist, sagen wir um 100,- €. Dieses Geld ist zwar sauer verdient - es
dauert Tage wenn nicht Wochen, einen umfangreichen Text zu tippen und
die gedruckten Blätter in Handarbeit zu binden - aber es ist echtes
Geld, und mehr Geld könnte (theoretisch) folgen. |
Wenn
ich wirklich für das erste Exemplar selbst bezahle, werde
ich vorsichtig sein müssen. Nicht jedes umfangreiche word-Dokument muss
auf dem eigenen Mist gewachsen sein. Ich würde es also lesen und
überprüfen müssen. Das wäre sicher keine leichte Aufgabe, aber
vielleicht spannend. Hin und wieder würde ich "Nein" sagen müssen. Am
Ende komme ich in den Besitz der in Handarbeit gefertigten Erstausgabe.
Diese lege ich im Lokal auf als Ansichtsexemplar. Sie wird weder
verkauft noch verliehen, sondern bleibt immer an Ort und Stelle. |
Möchte ein Besucher tatsächlich
zum Kunden werden und ein Buch mitnehmen, dann trete wieder ich in
Aktion
und stelle eine weitere Version her - das kann einen Tag dauern, oder
vielleicht zwei. Diese wird dann dem Kunden verkauft (auch um 100 €),
und das Geld bekommt der Autor. Der Autor, nicht ich! Ich
verdiene also nicht am Verkauf der Bücher, sondern höchstens als
Mitarbeiter des Literarischen Cafés. Vielleicht würde ich sogar rein
ehrenamtlich arbeiten und von meiner Beamtenpension leben. Nur an den
selbst verfassten Werken würde ich natürlich verdienen, wie andere
Autoren auch. |
Und
wenn
ein Kunde ein Buch zurückbringt? Das Konzept sieht doch vor, dass er
dann 90% des Kaufpreises wiederbekommt. Dieser Kaufpreis ist aber schon
an den Autor gegangen. So soll es auch bleiben. Der Autor hat sein Buch
an den Kunden verkauft; er soll sein Geld behalten, bekommt aber dann
natürlich auch das wiedergebrachte Buch nicht zurück. Ich als Verleger
nehme es zurück und bin ab sofort dessen Besitzer.
Es bleibt im Lokal und wartet auf den nächsten Interessenten. Wird es
wieder verkauft, bleiben die 100 € diesmal bei mir, denn der
Besitzer des Buches bin ja jetzt ich. |
Erst
wenn das Buch ein weiteres Mal verlangt wird (und das erste
inzwischen nicht wiedergekommen ist), erst wenn es also notwendig
wird, ein weiteres anzufertigen, erst dann geht der Verkaufspreis
wieder an den Autor. Es gibt also 2 Kategorien von Büchern: (1) die
frisch hergestellten, und (2) die wieder gebrachten. Wird ein Buch
mehrmals wieder gebracht, bleiben jedesmal 10 € Leihgebühr beim Verlag.
Beim
10. Mal hätten sich die Kosten für das Buch amortisiert. Es bliebe
abzuwarten, ob die Bücher robust genug sind, 10 Mal verliehen zu werden. |
(6/13) |
Fortsetzung |